Diese Kolumne freut zum Beispiel die CEOs von Grossfirmen, die in Jeans und Poloshirt als Venture Capitalists posieren und in den Inkubatoren dieses Landes lässig mit ETH-Absolventen über die heissesten AI-Anwendungen plaudern, während ihre Firmen im Kerngeschäft Verluste schreiben.
Oder die Verantwortlichen der Staatskonzerne, die seit Jahren ohne Ansehen der Zielgruppen, des Branchenbezugs oder des Geschäftsmodells Start-ups aufkaufen, als gäbe es kein Morgen mehr – um sie wenig später zu liquidieren oder für einen Spottpreis weiterzuverkaufen.
Dann sind da die Chefs der schweizerischen ICT-KMU, die immer vollkommen überrascht sind, wenn ein neues Gesetz in Kraft tritt, das ihnen geschäftlich in die Suppe spuckt oder die Kosten in die Höhe treibt. Dabei hätte es gereicht, etwas über den Tellerrand zu sehen, die Welt ausserhalb der Branche zu verfolgen und den Verbänden zuzuhören.
Es freuen sich weiter die Anwälte, die sich auf Startups und Finanzierungsrunden spezialisiert haben. Sie müllen Gründer mit kompliziertesten und überspitzten Formulierungen in „Legalese“ zu, welche dafür sorgen, dass ein normaler Mensch nicht mehr versteht, was eigentlich gemeint ist – und einen Anwalt benötigt, um es sich erklären zu lassen…
Ganz viel Betroffenheit!
Ebenfalls jubilieren die Pseudo-Experten, welche Fernsehrunden und Podcasts bevölkern. Ihre Expertise resultiert aus ganz wenigen relevanten Quellen und ganz viel Betroffenheit, angereichert mit anekdotischer Evidenz. Das Ergebnis ihrer Ausführungen ist immer von Anfang an bekannt.
Erfreut zeigen sich ferner die IT-Kunden, welche die IT-Branche gern als Kurpfuscher anprangern, obwohl sie selbst ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Wer seine aktuellen Systeme nicht richtig kennt, keine klaren Ziele setzt, keine Zeit für Tests hat und Agilität mit spontanen Bauchentscheiden verwechselt, darf sich allerdings nicht wundern, wenn sein Projekt in die Hose geht.
Da wären auch noch die Mediensprecher – oder besser gesagt die grossen Schweiger – in der öffentlichen Verwaltung und bei Grossunternehmen. Sie verstehen ihren Auftrag darin, möglichst wenig Licht in die Tätigkeit ihrer Organisation dringen zu lassen, oder nur dann, wenn sie die Medien für einen Marketing-Gag als Jubelperser instrumentalisieren.
Heute ist auch ein guter Tag für die Standortförderer, welche behaupten, dass man aus jedem Kiestobel ein Silicon Valley machen kann, indem man eine Marketingagentur beauftragt, ein hippes Logo zu entwickeln. Dieses wird dann vom zuständigen Regierungsrat der staunenden Öffentlichkeit präsentiert, und alsbald wird der neue „Hub“ in der ganzen Region weltberühmt.
Eine Zäsur
All diese Leute haben etwas gemeinsam: Ich bin Ihnen in den letzten zwölf Jahren im Rahmen meiner Kolumne auf inside-it.ch immer wieder auf die Zehen getreten. Und heute wird klar: Dies wird in Zukunft nicht mehr passieren, jedenfalls nicht in diesem Format. Ich habe mich entschlossen, nach genau zwölf Jahren und gegen 150 Beiträgen meine Kolumne „Von Hensch zu Mensch“ auf inside-it.ch auslaufen zu lassen.
Ich möchte allerdings nicht aufhören, ohne mich bei vier Menschen zu bedanken, welche mir eine im Vergleich zu anderen Kolumnen recht lange „Amtszeit“ ermöglicht haben. Der damalige Herausgeber Christoph Hugenschmidt hat mich aufgenommen, obwohl ihm von Anfang an bewusst war, dass ich oftmals Positionen einnehmen würde, die keineswegs den seinen entsprechen. Und so war es dann auch. Und die drei Chefredaktoren Maurizio Minetti, Marcel Gamma und Reto Vogt haben mich umsichtig begleitet, aber nie in Auswahl und Behandlung der Themen eingegriffen, obwohl ich ja immer mal wieder dem einen oder anderen Segment in der Leserschaft an den Karren gefahren bin.
Der Wechsel in der Chefredaktion von inside-it.ch und Veränderungen auf meiner Seite haben mich veranlasst, diesen Schritt jetzt zu vollziehen. So entgehe ich auch der Gefahr, mich mit der Zeit nur noch zu wiederholen und die geschätzten Leserinnen und Leser zu langweilen.
Was mich allerdings schon ein wenig beelendet: Bei vielen Themen, die ich schon vor über einem Jahrzehnt aufgegriffen habe, sind wir immer noch nicht weitergekommen. Einzelne Kolumnen aus der Anfangszeit könnten unverändert nochmals publiziert werden, ohne etwas von ihrer Aktualität zu verlieren.
Damit ist auch klar, dass ich nicht aufhören werde, Beiträge zu verfassen und zu publizieren. Auf diesem Blog ganz sicher, aber vielleicht auch anderswo. Wir werden sehen.
Dieser Beitrag erschien in weitgehend identischer Form in meiner Kolumne “Von Hensch zu Mensch“ auf inside-it.ch und wurde teilweise mit KI recherchiert und optimiert. Illustration: Dall-E