Es ist schon wieder passiert: In einer überregionalen Zeitung beklagt sich ein Arbeitgeber in weinerlichem Ton über die Zumutung, junge Leute aus der Gen Z anstellen und beschäftigen zu müssen. Als Patron (wohl mit dem Prädikat “alter Schule”) kommt er mit den unter 30-Jährigen überhaupt nicht zurecht. Er bemängelt fehlende Leistungsbereitschaft, Wehleidigkeit und übertriebene Forderungen bezüglich Arbeitsbedingungen, Teilzeitmöglichkeiten, Homeoffice und hohe Ansprüche beim Salär. Dies sei nicht nur für sein Unternehmen ein Problem, sondern generell ein Zeichen der Degeneration und der Dekadenz, was über kurz oder lang die Marktwirtschaft und unseren Wohlstand zugrunde richten werde. Und es handle sich dabei weder um ein lokales oder ein nationales Problem, sondern um eine globale Problematik.
Wer sich öfters mit Kadern oder Personalverantwortlichen unterhält, wird da ein Déjà-vu haben: Landauf, landab wird diese Rede geführt. Es ergibt daher Sinn, dem weltweit diskutierten Phänomen Generation Z auf den Grund gehen, womit zwingend auch der Gegenpol, die Baby-Boomer, angesprochen sind. Denn diejenigen, die heute an den politischen und wirtschaftlichen Schalthebeln sitzen, sind zumeist zwischen 1946 und 1964 geboren (so wie auch, ich gestehe, der Verfasser dieser Kolumne).
Der Blick über den Tellerrand
Dazu ein kleiner Exkurs: Letzte Woche durfte ich berufsbedingt ein Dutzend persönlicher Interviews mit jungen IT-Fachkräften aus dem Maghreb und dem Balkan führen – altersmässig alles Gen Z bis höchstens Millenials. Ich erlebte sie beim gemeinsamen Workshop, führte mit ihnen aber auch längere Einzelgespräche. Obwohl sehr gut ausgebildet, erleben sie die Berufswelt weder als Schlaraffenland noch als Ponyhof. Vielmehr kämpfen sie um die Chance, einen anständigen und sicheren Job zu finden. Ihr Ziel im Leben ist nicht die “woke” Revolution, sondern eine tragfähige Basis für eine spätere Familiengründung. Gerade für Frauen schafft ein Beruf in der IT die Möglichkeit, aus verkrusteten Familien- und Dorfstrukturen auszubrechen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen, weshalb für sie Bildung einen sehr hohen Stellenwert hat. Und Wissenschaft ist für sie immer noch Wissenschaft und nicht identitäre Befindlichkeit. Mit Politik wollen sie nichts zu tun haben, für sie ist diese eine Art notwendiges Übel, das man über sich ergehen lassen muss. Je nach Land erschweren ihnen auch staatliche Willkür oder Korruption das Leben.
Schon wenige hundert Kilometer von der Schweiz entfernt erweist sich somit das Narrativ von der verwöhnten und faulen Gen Z als völlig unpassend. Bewege ich mich geografisch noch weiter weg von der westlichen Welt, so zerplatzt es wie eine Seifenblase.
Und zurück in der Schweiz stelle ich fest, dass auch hierzulande nicht von einer generell fehlenden Leistungsbereitschaft der Altersgruppe Gen Z gesprochen werden kann. In unseren Betrieben und Berufsschulen wimmelt es von jungen Menschen, die weder überrissene Erwartungen haben noch auf der Sänfte zum hochbezahlten Traumberuf getragen werden wollen.
Gewiss, medial präsent sind die wenigen Schreihälse, welche Unis besetzen oder Strassen blockieren. Sie gehören zwar altersmässig oft zur Gen Z. Aber das heisst keineswegs, dass sie unseren Nachwuchs repräsentieren und für ihn sprechen können. Alle Zahlen sprechen dafür, dass es sich um eine kleine, wenn auch laute Gruppe handelt. Sie sind allerdings nicht der Mainstream, sondern statistische Ausreisser. Deren hohe Medienpräsenz ermöglicht es konservativen Unternehmern, die Mär von der faulen Jugend aufrechtzuerhalten und von eigenen Defiziten abzulenken.
Das Versagen der Unternehmen
Dass nämlich jemand hierzulande keine passenden Mitarbeitenden findet, ist aus meiner Sicht kein gesellschaftliches Unglück, sondern erst einmal ein individuelles Versagen des Arbeitgebers. Der Arbeitsmarkt ist, wie das Wort zum Ausdruck bringt, ein Markt. Und dort muss ich mein Angebot so gestalten, dass es nachgefragt wird. Wenn es bedeutet, dass ich höhere Löhne bezahlen oder bessere Konditionen anbieten muss, dann ist das so. Vielleicht arbeitet der Betrieb nicht profitabel, die ganze Branche hat zu lange die Hände in den Schoss gelegt oder der Staat hat ungünstige Rahmenbedingungen geschaffen. Aber es bleibt dabei, dass ich mich als Arbeitgeber nach dem Angebot richten muss. Das müssen notabene die Arbeitnehmenden in bestimmten Zeiten auch tun.
Das Argumentieren mit ganzen Generationen ist überhaupt hochproblematisch – ganz generell und insbesondere beim Marketing (inklusive Employer Branding). Im Zeitalter der künstlichen Intelligenz sind wir doch längst nicht mehr auf derart grobe Segmentierungen angewiesen. Aber lasst mich das für eine der nächsten Kolumnen aufsparen. Soviel für heute: Arbeitgeber sollten sich in erster Linie selbst am Riemen reissen, statt ihre Probleme auf faulen oder fehlenden Nachwuchs zu schieben.
Dieser Beitrag erschien in weitgehend identischer Form in meiner Kolumne “Von Hensch zu Mensch“ auf inside-it.ch und wurde teilweise mit KI recherchiert und optimiert. Illustration: Dall-E