Aktuelle Entwicklungen beim Öffentlichkeitsprinzip – und ein Blick in die Geschichte.
Vor wenigen Tagen machte Inside-it.ch publik, dass ein (weiteres) grosses IT-Projekt des Bundes abgeblasen wird: Die seit 2012 laufende Entwicklung einer zentralen Plattform für das Einsichtsrecht in amtliche Dokumente wurde kurz vor dem 10-Jahr-Jubiläum abgebrochen. Dies, obwohl die Botschaft zum Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip der Verwaltung (BGÖ) genau ein solches Zentralregister vorsieht. Nun könnte man über den Rückzieher des Bundesrates philosophieren oder einmal mehr über mangelhaftes IT-Projektmanagement des Bundes lamentieren. Darum geht es mir heute aber nicht.
Das BGÖ ist ein noch junger Spross der Gesetzgebung und trat erst 2006 in Kraft, nur gerade 40 Jahre nach seinem Urbild, dem amerikanischen Freedom of Information Act von 1967. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass viele dieses Gesetz nicht kennen, obwohl es gerade für in der IT Tätige durchaus von Relevanz sein kann. Es regelt den Zugang von Privaten zu Akten des Bundes. Das BGÖ ist überdies die kleine Schwester des Datenschutzes, was das «Ö» im Akronym für den schweizerischen Datenschutzbeauftragten «EDÖB» erklärt. Oder auch die Tatsache, dass auf kantonaler Stufe manchmal beide Themen in einem Gesetz vereinigt werden (z.B. im Kanton Zürich das Gesetz über die Information und den Datenschutz IDG). Die Transparenz über die Behördentätigkeit findet nämlich unter anderem dort eine Grenze, wo Datenschutzinteressen von Dritten tangiert werden.
Öffentlichkeit nicht immer erwünscht
Andererseits hat die Öffentlichkeit Anspruch darauf, dass die Tätigkeit der Behörden bei Bedarf öffentlich gemacht werden kann. Denn nur so kann sie kritisch hinterfragt und politisch diskutiert werden. Die Behörden ihrerseits sind nicht immer glücklich darüber, die Karten auf den Tisch legen zu müssen, einerseits möchten sie Mängel lieber diskret beheben (oder gar nicht), andererseits kann es ihre Handlungsfähigkeit einschränken, wenn ihre Vorarbeiten zu früh publik werden.
Die Behörden versuchen daher gern, ihre Arbeit möglichst ausserhalb der BGÖ-Verpflichtung abzuwickeln. So stellen sich die sehr mächtigen Regierungskonferenzen der Kantone auf den Standpunkt, dass sie diesem Gesetz nicht unterstehen. Dies ist natürlich unbefriedigend, weil dort gewichtige Weichenstellungen vorgenommen werden – denken wir nur an die Bewältigung der Corona-Pandemie im Rahmen der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK). Findige Juristen haben nun einen Weg gefunden, um auch diese Nuss zu knacken. Sie haben beim Kanton Zürich auf Basis des IDG Einblick in die bei ihm liegenden GDK-Dokumente verlangt (z.B. Traktandenlisten). Und im Juni dieses Jahres hat das Bundesgericht entschieden, dass der Kanton Zürich verpflichtet sei, auf das Einsichtsgesuch einzutreten und es konkret zu bearbeiten. Damit ist noch nicht gesagt, dass wirklich Einblick gegeben werden muss, aber immerhin muss der Regierungsrat sich nun konkret mit dem Begehren auseinandersetzen. Grundsätzlich ist aber damit der Weg frei, um in allen Kantonen Gesuche zu Akten aller Regierungskonferenzen zu stellen.
Wichtiges Instrument für die Medien
Das BGÖ wird hauptsächlich von Journalisten benutzt, wenn sie im Rahmen ihrer Recherchen auf eine Mauer des Schweigens stossen. Sie erstreiten sich auf Grundlage des Gesetzes in oft monatelangem Ringen den Zugang zu den Dokumenten, die sie interessieren, wobei auf Bundesebene der EDÖB als Schlichter vorgesehen ist. Die Abwehrstrategien der Amtsstellen sind unterschiedlich: Sie behaupten Unzuständigkeit, spielen auf Zeit oder verlangen horrende Gebühren für die Bearbeitung. Wobei diese Bearbeitung tatsächlich höchst anspruchsvoll ist. Wenn in einem Dokument Drittpersonen vorkommen, die Anspruch auf Datenschutz haben, genügt es meist nicht, vor der Herausgabe einfach die Namen oder Zahlen zu schwärzen, weil nur schon der Kontext Vieles verraten könnte.
Manchmal kann der Herausgabeanspruch aber auch derart heikel sein, dass die Behörden nur schon die Existenz einer Akte nicht bestätigen wollen. Die dann formulierte Standardformulierung wurde schon 1975 (und darum natürlich in den USA und auf Englisch) formuliert: „We can neither confirm nor deny the existence of the information requested but, hypothetically, if such data were to exist, the subject matter would be classified, and could not be disclosed.“ Die Medienanfrage richtete sich in diesem Fall nach dem Auftrag des Forschungsschiffes Glomar Explorer im Zusammenhang mit einem gesunkenen russischen U-Boot, worauf aus Gründen der Staatsraison obiges Statement publiziert wurde. Seither nennt man dies eine „Glomar Denial“ und das Handeln der Behörden „glomarize“.
Übrigens: Der erste Tweet der @CIA auf Twitter lautete 2014 wie folgt:
Erstpublikation in meiner Monatskolumne „Von Hensch zu Mensch“ auf Inside-it.ch und Inside-channels.ch
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