„Liebe Mitglieder der Geschäftsprüfungskommission, bevor wir heute hier im Bundeshaus mit den ordentlichen Traktanden beginnen, führen wir ein Hearing mit dem CEO der Post durch, den ich nun in unserem Kreis begrüsse. Es geht um die zahlreichen Firmenkäufe der Post in der letzten Zeit. Die Fragen, die sich dabei stellen: Sind diese Zukäufe mit dem öffentlichen Auftrag der Post zu vereinbaren? Und führen sie nicht zu einer unstatthaften Konkurrenzierung privatwirtschaftlicher Unternehmen? Gerne bitte ich den Post-CEO um sein Einleitungs-Statement dazu.“
„Liebe Nationalrätinnen und Nationalräte, danke für die Gelegenheit, mich hier vor ihnen zu erklären. Ich kann es kurz halten. Unser Auftrag ist, die Postdienste für die Bevölkerung und die Wirtschaft sicherzustellen. Da sich die nachgefragten Dienste zum Beispiel aufgrund der technologischen Entwicklung verändern, stehen wir auch in der Verantwortung, uns weiterzuentwickeln. Nicht immer macht es Sinn, diese Neuerungen selbst auf die Beine zu stellen. Deshalb suchen wir nach Startups, welche eine solche Leistung schon erbringen. Wir akquirieren sie und gliedern sie dann bei uns ein – oder verkaufen sie wieder. Dies ist ja auch im Sinn des Steuerzahlers, da es effizienter ist.“
„In der Theorie ist ja das ganz schön, aber wie passt da zum Beispiel die Akquisition von Klara hinein, einer Buchhaltungssoftware? Die Weko wurde ja auch schon in der Sache angerufen.“
„Ganz einfach, unsere Kunden müssen für Postdienstleistungen bezahlen. Und diese Zahlung müssen sie irgendwo verbuchen können. Somit ist das im weiteren Sinn auch Teil der Postdienstleistung.“
„Und wie steht’s dann um die Firma Tresorit, an der Sie eine Mehrheitsbeteiligung erworben haben?“
„Ein elektronischer Workplace ist ja eine elementare Grundlage, um sicher E-Mails zu verschicken, also elektronische Post.“
„Mit der Dialog Verwaltungs-Data digitalisieren Sie Gemeinden. Auch das eine Post-Dienstleistung?“
„Aber natürlich. Wir helfen den Gemeinden, mehr mit E-Mails zu arbeiten. Und E-Mails sind ja nichts anderes als dematerialisierte Briefe – klar ein Teil des Postauftrags.“
„Und geschützt werden diese E-Mails dann von Hackknowledge, eine Ihrer weiteren Akquisitionen?“
„Ganz genau, Sie haben das Prinzip erkannt!“
„Dann wäre da die Firma Livesystems, eine Vermarkterin von Aussenwerbung. Wie begründen Sie hier den Einstieg der Post?“
„Die Menschen kommen ja zu uns in die Poststellen. Da möchten wir sie nicht erst am Eingang der Poststelle begrüssen können, sondern sie schon draussen einstimmen. Livesystems gehört also ganz klar auch zur Postdienstleistung.“
„Mediwar AG ist ein Ausstatter von Operationssälen. Auch das Teil des Kerngeschäfts?“
„Aber ja, wer nicht gesund ist, nimmt weniger Postdienstleistungen in Anspruch, also für uns absolut zwingend.“
„Deshalb jetzt auch der Einstieg bei Axsana, einem Anbieter von Patientendossiers?“
„Genau.“
„Und TONI Digital passt wie genau zu Ihrem Auftrag?“
„Wenn unseren Kunden etwas passiert, sollten sie geschützt sein. Deshalb bieten wir folgerichtig auch Versicherungslösungen an.“
„Ich glaube, ich geb’s auf. Noch eine letzte Frage, mehr gwunderhalber: Wie begründen Sie den Kauf der Postilisten-App Bring?“
„Es ist ja wichtig, dass man beim Einkaufen daran denkt, auch bei der Post vorbeizugehen, um Pakete zu retournieren oder Einzahlungen vorzunehmen. Und dass Bring zu unserem Aufgabenkreis gehört, haben Sie ja selbst zugegeben.“
„Was, ich? Wann denn?“
„Sie haben grad selbst von POSTiliste gesprochen!“
Anmerkung: Der hier widergegebene Dialog ist (leider) bloss fiktiv – die Post macht mit ihrer Shopping-Tour ungebremst weiter.
Dieser Beitrag erschien in weitgehend identischer Form in meiner Kolumne “Von Hensch zu Mensch” auf inside-it.ch. Foto von Claudio Schwarz auf Unsplash