Ethisches Management steht heute hoch im Kurs. Ein Blick hinter die Kulissen zeigt auf, wie sorgfältig man dabei vorgehen muss.

„Als letztes Traktandum unserer Konzernleitungssitzung wird uns nun noch unser General Counsel über die rechtlichen Pendenzen informieren. Kurt, ich hoffe, du hast uns nur Positives zu berichten!“ 

„Grundsätzlich läuft’s gut. Die 850’000 toten Fische in der Limmat sollten wir nun endlich in den Griff kriegen. Wir haben einen Gutachter gefunden, der neben seiner Professur bei der EAWAG auch an einer längerfristigen Zusammenarbeit mit uns interessiert ist. Ich habe ihm wie vereinbart das von uns erhoffte Untersuchungsergebnis zugestellt und er übernimmt es gerne – spart ihm ja auch viel Arbeit. 

Auch der Fall, bei dem wir für den Bundesauftrag etwas gar spendabel aufgetreten sind, sollte sich nun einrenken lassen.“

„Ich dachte, die Beweise dieses verdammten Whistleblowers gegen uns seien ziemlich eindeutig.“

„Ja schon, aber mittlerweile weiss ich, dass der Gerichtspräsident eine kleine Schwäche für Nackttänzerinnen hat. Macht sich nicht so gut als Vertreter einer christlichen Partei, der mal in den Bundesrat möchte.“

„Wir müssen da nicht mehr wissen. Hauptsache, du regelst das! Weiter!“

„Das Amt für Arbeit hat unsere Arbeitssicherheit moniert. Die Feuerlöscher in der Munitionsfabrik Teufenthal seien seit über dreissig Jahren nicht mehr zugelassen und auch nicht gewartet. Dabei sind sie noch tipptopp in Schuss, wie neu und nie gebraucht.“

„Was für eine Schweinerei!“

„Finde ich auch, habe es grad mit dem Regierungsrat geklärt. Das AWA hat sich prompt entschuldigt.“

„Trotzdem – diese Undankbarkeit, nach allem, was wir für ihren Kanton leisten. Nur weil wir keine Steuern bezahlen, heisst das doch nicht, dass man uns so behandeln kann.“

„Stimmt, den Steuerfall haben wir auch noch an der Backe. Aber unsere Steueranwälte sind zuversichtlich, dass wir mit dem balinesischen Doppelsandwich in einer haitianischen Sandbox nach kongolesischem Recht in Delaware durchkommen werden.

Kommen wir noch zum Wettbewerbsrecht. Die Weko ist immer noch etwas hartnäckig an der Sache mit den Bauaufträgen, bei denen auch unsere Tochterfirma aus dem Wallis involviert ist. Sieht aber nicht schlecht aus, da sollten wir uns in die Verjährung retten können.“

„Meine Herren, das tönt alles sehr gut, Kurt hast du noch was?“

„Ja leider, und das ist nun schon etwas ernster. Wie ihr wisst, hat unsere Social Media Abteilung eine tolle #BlackLivesMatter-Kampagne aufgezogen. Wir haben nicht nur alle Instagram-Posts als schwarze Flächen gestaltet, sondern auch hoch emotionale und engagierte Statements platziert. Kam gut an.“

„Ja, sehr gut. Wir sind und bleiben DER ethische Konzern der Schweiz. Die Konsumenten kaufen unsere Produkte, weil sie wissen, dass wir nicht auf Profit setzen, sondern aktiv einen Beitrag leisten, um die Gesellschaft voranzubringen. Was noch schöner ist: Meine CEO-Kollegen beneiden mich dafür, dass ich zu Kongressen eingeladen werde, um über ‚Liebevolles Produzieren für eine diverse Welt‘ zu referieren. Aber wo ist jetzt nun das Problem?“

„Es ist was Dummes passiert. Wir haben ja verschiedene Influencer unter Vertrag. Eine davon ist Monika ‚Momo‘ Sammler…“

„Ich erinnere mich, die Ex-Extremklettererin mit dem kurzen Kleidchen und den grossen…“

„Genau die. Weiss nichts Besseres zu tun, als wegen eines Geisterfahrers auf der Autobahn einen Post abzusetzen mit dem Inhalt ‚Ich habe das Weisse in seinen Augen gesehen‘. Das ‚Weisse‘! Was für eine gedankenlose Kuh. Prompt hat ein nordmonglischer Twitterer von uns gefordert, uns von diesem rassistischen Hass-Post zu distanzieren.“

„Ohalätz, das ist wirklich kritisch. Wir haben uns hoffentlich distanziert?“

„Ja natürlich, nur reicht das hinten und vorn nicht. Wir haben ja nicht umsonst auch dieses Jahr wieder die ‚goldene Schneeflocke für globale Achtsamkeit‘ gewonnen. Wir haben also Momos Verhalten auf allen Kanälen als inakzeptabel gegeisselt, sie unverzüglich rausgeschmissen und auf 3 Millionen Schadenersatz eingeklagt.“

„Und?“

„Das Ganze hat uns ganz schön Nerven gekostet. Aber wir haben die Kurve gekriegt. Die Konsumenten lieben uns jetzt noch mehr für unser empathisches und moralisch einwandfreies Geschäftsgebaren. Wir sind definitiv die Guten!“

Dieser Beitrag erschien in weitgehend identischer Form in meiner Kolumne “Von Hensch zu Mensch” auf inside-it.ch und inside-channels.ch. Foto: Instagram, pixelized

Kommentare anzeigenKommentare verbergen

Kommentar hinterlassen