Als Medienkonsument fragt man sich ja immer mal wieder, wie Beiträge in den Medien zustande kommen, wenn es um kontroverse Themen geht – gerade in der IT-Branche (an denen es ja dieser Tage gewiss nicht mangelt). Oft sind Beiträge wenig ergiebig, man erhält das Gefühl, dass zwischen den interessierenden Tatsachen und Meinungen und dem Inhalt des Artikels eine Art unsichtbare Wand steht. Nun, diese Wand gibt es wirklich, denn immer wieder sehen sich Journalistinnen und Journalisten mit der Tatsache konfrontiert, dass sich Medienstellen und -sprecher vor allem als Medienverweigerer verstehen.
Unter dem Vorwand, den Zugang zu den Informationen zu ordnen und zu „optimieren“, sind diese in der Fachsprache als Gatekeeper bezeichneten Funktionen dazu da, Fragen abzublocken, bei deren wahrheitsgemässer Beantwortung ein Unternehmen nicht im bestmöglichen Licht erscheinen würde. Natürlich macht sich das nach aussen nicht sehr gut, weshalb sich die Medienstellen über die Zeit ein Repertoire an Begründungen zugelegt haben, mit denen sie ihr Verhalten rechtfertigen.
Eine erste Möglichkeit ist, die eigene Unzuständigkeit zu proklamieren. Man verweist Medienschaffende bei Fragen möglichst an eine andere Stelle, in der Hoffnung, dass das Ganze versandet oder die Anfrage (aus Zeit- oder Termingründen) sinnlos wird. Wie das konkret aussehen kann, hat der Chefredaktor dieser Publikation vor ein paar Wochen in seiner Kolumne beschrieben.
Das Verfahren läuft und läuft und läuft…
Ein weiterer, gern ins Feld geführter Grund, ist das „laufende Verfahren“. Oftmals ist dies an den Haaren herbeigezogen. Denn gerade während laufenden Verfahren wird sehr oft besonders intensiv kommuniziert, es gibt eine ganze Litigation-PR-Industrie. Und das ergibt ja auch Sinn, denn was bringt es mir, vor Gericht zu gewinnen, wenn ich in der Öffentlichkeit unten durch bin und meine Reputation im Keller ist? Die Antwortverweigerung gegenüber den Medien mit dieser Begründung bedeutet oft nichts anderes als: „Unsere Position ist so schwach, dass wir nicht auch noch in der Öffentlichkeit darüber sprechen möchten.“
„Persönlichkeitsschutz“ ist ebenfalls ein beliebtes Schlagwort, mit dem Fragen abgeblockt werden. Auch diese Begründung ist nur in seltenen Fällen zutreffend. Zum einen gilt es zwischen juristischen und natürlichen Personen zu unterscheiden, zum anderen geht es bei Persönlichkeitsschutz immer um den Schutz von Dritten. Sicher kann damit nicht die eigene Person gemeint sein. Ich darf natürlich schon die Antwort verweigern, aber der Grund ist dann nicht der Sachzwang Persönlichkeitsschutz, sondern mein Unwille, Stellung zu nehmen.
Die Börse muss es richten
Börsenrelevanz wird oft ins Feld geführt, um die Antwort zu verweigern. Auch dies ist mit Vorsicht zu geniessen, ist doch nicht alles, was in einem kotierten Unternehmen passiert, so kursrelevant, dass es nur ausserhalb der Börsenzeiten und an alle Adressaten gleichzeitig kommuniziert werden muss. Besonders frech war vor wenigen Tagen Coop, das eine Antwort zur Einstellung der App Finance+ mit dieser Begründung verweigerte. Als der Journalist der ‚Sonntagszeitung‘ bemerkte, Coop sei seines Wissens nicht an der Börse, wurde ihm beschieden, dass aber ein involvierter Partner an der Börse sei. Doch dies war geschummelt: Dieser Partner war in der Kommunikation nirgends erwähnt und auch nur höchst peripher tangiert.
IT-Anbieter aus den USA sind in der Mehrzahl an der Börse kotiert, womit ihnen oben beschriebene Ausrede fast immer zur Verfügung steht. Zusätzlich steht allen internationalen Firmen noch das „Chain of Command“-Argument zur Verfügung: Leider, leider sei man in der Schweiz nicht auskunftsberechtigt, man müsse daher zuerst die Europazentrale in Amsterdam anfragen, die allenfalls dann mit dem Konzernsitz in Chicago Rücksprache halten müsse. Man könne daher nichts versprechen… Ja, und dauern würde es natürlich auch.
Die Amis sind aber nicht die schlimmsten. Am besten beherrschen Firmen aus Fernost das Geschäft des Abblockens. Dank des Filters der (Konzern-)Sprache und der Kultur können Anfragen elegant und schicklich in den Untiefen der Unternehmensstrukturen bestattet werden.
Im Moment allerdings müssen sich Medienstellen offenbar gar keine besondere Mühe geben, fantasievolle Ausreden zu erfinden. In einem Blatt durfte ich vor zwei Tagen lesen, ein angefragtes Unternehmen habe keine Stellung nehmen können, weil die Medienstelle „ferienhalber nicht besetzt“ sei. Ja, so geht’s natürlich auch.
Dieser Beitrag erschien in weitgehend identischer Form in meiner Kolumne “Von Hensch zu Mensch“ auf inside-it.ch und wurde teilweise mit KI recherchiert und optimiert. Illustration: Dall-E