Viele meinen, die Medienbranche sei im Niedergang. Kommt darauf an, wohin man schaut.

In den neunziger Jahren wollte jeder durchschnittlich Unbegabte „etwas mit Medien“ studieren. Tageszeitungen und Fernsehsender galten als die Arbeitgeber, bei denen die eigene weltanschauliche Schlagseite mit einem fetten Lohn kombiniert werden konnte. Journalisten und Moderatoren waren Rockstars.

Doch diese Zeiten sind lang schon vorbei, der Niedergang der Branche wurde fast zum Sinnbild für eine Realwirtschaft, welche von der digitalen Welt verschlungen wird. Man schaue sich nur einmal an, wie dünn mittlerweile die Print-Ausgaben geworden sind. Es gibt kaum mehr Inserate, um die Rückseite der News zu bedrucken, die von unterbezahlten Praktikanten zusammengeschustert werden.

Niemand, der bei klarem Verstand ist, würde heute noch in Medien investieren. Niemand? Wenn immer eine Branche als todgeweiht abgeschrieben wird, lohnt es sich besonders, genauer hinzuschauen. In der Tat kommt heute kaum mehr jemand auf die Idee, in eine konventionelle Tageszeitung zu investieren. Es sei denn, er sei Milliardär und möchte sich einen Bubentraum verwirklichen oder sein Image aufpolieren. Trotzdem, die Medienbranche hat durchaus Potenzial, wenn man weiss, wo die Musik spielt.

Medien sind nicht gleich Medien

Zunächst müssen wir uns einmal von der Vorstellung verabschieden, dass Medien primär Tageszeitungen und TV-Sender sind. Deren Bedeutung nimmt tatsächlich ständig ab (und damit ihr kommerzieller Wert), selbst wenn man ihre digitalen Outlets mit einbezieht. Um sie herum blüht jedoch ein Ökosystem von „neuen“ Medien, welche vorwiegend im digitalen Raum angesiedelt sind. Für Wirtschaft und Gesellschaft sind Medien so wichtig, dass es sich lohnt, einen Blick zu werfen, welche Themen hier Konjunktur haben.

Die Strategie, Inhalte grundsätzlich kostenlos im Netz anzubieten, um Leser anzuziehen und ihnen Werbung zu präsentieren, ist bekanntlich krachend gescheitert. Die Werbeeinnahmen landen nämlich fast ausschliesslich bei Google und anderen Plattformen. Wer nicht extrem schlank produziert, ist auf alternative Einnahmequellen angewiesen. Paid Posts (aka Native Ads) sind eine Möglichkeit, wenn auch medienethisch nicht über alle Zweifel erhaben.

Die Leser so einzubinden, dass sie nicht nur ein Produkt konsumieren (und kaufen), sondern Teil einer Community werden, ist ein gangbarer Weg, um höhere Erträge zu genieren. Während dies bisher in der Lokalberichterstattung noch nicht wirklich gelungen ist, hat es das ‚Republik‘-Magazin geschafft, via Crowdfunding und Grossspenden ein einigermassen lebensfähiges rotgrünes Biotop aufzubauen.

Die richtige Nische finden

Anbieter können sich auch auf Zielbranchen mit hoher Wertschöpfung konzentrieren, und Inhalte liefern, die für viele Leserinnen oder Leser beruflich Pflichtstoff sind. Hier sind abo- und werbefinanzierte Modelle tragfähig. Die Finanzbranche, die ICT oder auch die Gesundheit sind solche Nischen mit Potenzial. Dabei genügt es allerdings nicht, einfach Nacherzählungen von Agenturmeldungen oder Tagesmedien zu publizieren, vielmehr braucht es handfeste Recherche durch Journalisten mit Know-how und gutem Netzwerk. Natürlich bedingt dieses Modell neben starken Recherchen auch ein Stück weit Hofberichterstattung im Stil von „Hedgefund X lanciert Weltneuheit.“ Aber auch ein investigatives Gegenmodell kann Erfolg versprechen, wie man am Paradeplatz weiss. Zusammengefasst: Qualitätsjournalismus ist nicht tot (aber schwer zu finden).

Beliebte Marken nutzen ihre Bekanntheit, um sich in benachbarten Bereichen zu etablieren. So setzt unter anderem TX (ex Tamedia) auf Plattformen, Ringier auf Sport- und Influencer-Marketing. Die ‚NZZ‘ macht sich im Kongress- und Eventbereich breit (ZFF und SEF) und expandiert publizistisch in den DACH-Raum. Wieder andere Verlage versuchen sich in der Marktforschungsbranche. Brand Extension funktioniert bekanntlich dann, wenn die Marke wirklich stark ist und wenn der neue Markt sowohl zielgruppenmässig als auch produktmässig nahe genug beim Ursprungsmarkt ist.

ICT-Tools immer wichtiger

Ebenfalls zum Medienbereich zu zählen sind die zahlreichen ICT-Tools, welche für einen effizienten Medienbetrieb unabdingbar sind, die aber von Verlegern nicht mehr aus eigener Kompetenz entwickelt werden können. Dies sind zum Beispiel spezifische CMS oder auch Analyse- und Recherchetools, bis hin zur Marktforschung und zum Monitoring. Zu diesen Systemen gehört zum Beipiel auch Tapwriter, ein Schweizer Startup, auf dem ich gerne selbst eigene Inhalte publiziere. Und auf den für Boulevard und Kurzfutter attraktiven Video-Bereich mit seiner unüberschaubaren Fülle an technischen Möglichkeiten für Medien gehe ich gar nicht erst ein, um nicht auszuufern.

Damit stellt sich fast zwangsläufig noch die abschliessende Frage, wie die Zukunftschancen von inside-it.ch in dieser neuen Medienlandschaft zu beurteilen sind (in welcher der Erstabdruck diese Blogposts bekanntlich erscheint). Ganz gut, würde ich sagen: Erstens ist digital-only sehr flexibel und effizient – auch dank Synergien mit ‚Medinside‘ seit letztem Jahr. Zweitens hat das Medium einen starken Brand, der in der Branche gut verankert ist. Drittens zeigt die Redaktion Kompetenz und Kontinuität; sie ist immer mal wieder für einen Scoop gut. Und viertens natürlich: Die tollen Kolumnisten!

Ich danke Katharina Iten von Wille Finance, welche mich als erfahrene VC im Digital-Media-Bereich zu diesem Blogpost inspiriert hat.

Dieser Beitrag erschien in weitgehend identischer Form in meiner Kolumne “Von Hensch zu Mensch” auf inside-it.ch und inside-channels.ch. Foto von Bank Phrom auf Unsplash

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