Sommerzeit ist Ferienzeit – und soll daher auch hier ein wenig reflektiert werden. Während ich mich vor genau fünf Jahren intensiv mit Abwesenheitsmeldungen befasst habe, geht es heuer um Feriengrüsse. Natürlich kauft heutzutage niemand (zumindest kein blog.hens.ch-Leser) mehr Postkarten, die er dann von Hand beschreibt, mit dem korrekten Markenwert versieht und dann zum Briefkasten trägt.

Wer das Haptische nicht ganz verdrängen möchte, benutzt vielleicht die Gratis-App der Schweizer Post, um eine physische Postkarte ausliefern zu lassen. In der Regel werden heute Feriengrüsse jedoch per WhatsApp oder einem anderen Kommunikationstool verschickt. Die Technologie und der Kanal ändern sich, doch die Inhalte bleiben gleich.

Im Sinne einer Dienstleistung an die Workaholics unter der Leserinnen und Lesern meines Blogs, die nie Ferien machen, möchte ich darlegen, was sich hinter den Sätzen versteckt, mit denen Feriengrüsse übermittelt werden:

„Liebe Daheimgebliebene“ bedeutet „Ich möchte jetzt nicht wie ihr im unklimatisierten Büro hocken und Däumchen drehen, wo doch jetzt eh’ so gut wie alle weg sind und nichts läuft.“

„Dieses Jahr haben wir uns für UHU-Ferien entschieden (ums Huus ume), bleiben hier und geniessen die Umgebung.“ -> „Mit der Alimente und der Hypothek kann ich mir nicht auch noch teure Reisen leisten. Vor allem bei dem lausigen Lohn, den ich in unserer Firma verdiene.“

„Wir sind in den Bergen, wo es schön kühl ist.“ -> „Ich wäre ja gern ans Meer, aber mein Mann, der Gümeler, hat darauf bestanden, in die Höhe zu fahren.“

„Das Strandleben ist einfach herrlich.“ -> „Wenn da nur nicht die Heerscharen dauerbesoffener Engländer wären, die einem das Leben zur Hölle machen.“

„Nur weil wir am Meer sind, müsst Ihr nicht denken, dass wir einfach nichts tun und jeden Tag ausschlafen.“ -> „Wenn wir nicht um sieben am Strand sind, haben die Deutschen schon sämtliche Liegen mit ihren Handtüchern besetzt.“

„Ein Hotel direkt am Ozean habe ich mir immer erträumt.“ -> „Leider geht unser Zimmer nach hinten hinaus, direkt auf die Hauptstrasse mit der Disco vis-a-vis.“

„Das Hotel ist sehr luxuriös und gediegen.“ -> „Wenn mir meine Frau vorher gesagt hätte, wie teuer es wird, hätte ich nie zugestimmt!“

„Das Hotel ist rustikal und gemütlich.“ -> „Was für eine grauenhafte Absteige, die Zimmer katastrophal, der Service unterirdisch.“

„In dieser Region gibt es fantastische Weine zu geniessen.“ -> „Ja, ich weiss schon, dass ich mit dem Alkohol etwas bremsen müsste – nicht nur in den Ferien.“

„Das Essen ist ganz toll hier.“ -> „Ich warne euch: In den kommenden Wochen werde ich im Diät-Stress und daher unausstehlich sein.“

„Mit herzlichen Feriengrüssen“ -> „Bald ist’s vorbei und ich muss euch wieder jeden Tag sehen. Schrecklich.“

Natürlich gibt es nicht nur den Text zu entschlüsseln, auch die Bilder und die Destination generell lassen tief blicken, wenn man die entsprechenden Codes kennt. Aber das hebe ich mir für einen weiteren Blogpost auf. Schliesslich mache auch ich Ferien. Und grüsse euch Daheimgebliebenen ganz herzlich.

Dieser Beitrag erschien in weitgehend identischer Form in meinerKolumne “Von Hensch zu Mensch” auf inside-it.ch. Photo by Sai Kiran Anagani on Unsplash

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