Juristisches Kauderwelsch macht Gründern und Investoren das Leben schwer. Muss das sein?

Startup-Gründer sind zu bedauern: Statt sich dem Wachstum ihres Unternehmens widmen zu können, sei es am Markt oder in der Entwicklung, müssen sie sich in der Geburtsphase endlos mit juristischen Dokumenten herumschlagen: Statuten, Aktionärsbindungsverträgen, Kreditverträge, Wandeldarlehen, Arbeitsverträge, Optionsprogramme und noch mehr.

Da die meisten Gründerinnen und Gründer am Anfang von Recht nur Bahnhof verstehen, müssen sie sich in diese für sie fremde Materie hineinknien, wollen sie sich nicht mit Haut und Haar ihren Anwälten ausliefern. Dabei stellen sie fest, dass es rasch sehr kompliziert wird und niemand ein Interesse hat, es ihnen leicht zu machen.

Ein Grundproblem besteht darin, dass man heute Startups rechtlich so aufsetzt, als sei schon klar, dass sie dereinst als Unicorn einen internationalen Börsengang durchführen werden und entsprechend wasserdichte Bestimmungen benötigen. Während in allen anderen Bereichen eines Startups mit MVP gearbeitet wird, also zuerst nur das Nötigste implementiert, kommt die rechtliche Struktur von Anfang an als Wasserkopf daher.

Es beginnt damit, dass in der Regel alles in einer Sprache verfasst wird, die auf den ersten Blick wie English aussieht, aber für den normalen und auch fremdsprachigen Englischsprechenden unverständlich ist, da es sich um Legalese handelt. Die komplex verschachtelten Sätze sind mit Spezialbegriffen mit ganz eigener Bedeutung gespickt. Oft kommen – was man meist prima facie sieht – auch Begriffe aus dem altrömischen Recht zum Einsatz. Wer sich bei den Vertragsverhandlungen nicht ex ante vorsieht, haftet bald einmal aus culpa in contrahendo.

Ganz grundsätzlich ist aber in Frage zu stellen, weshalb Parteien in der (Deutsch-)Schweiz für eine Kleinfirma vor Ort alles von Anfang an in einer Fremdsprache formulieren sollen, die sie zwar einigermassen zu beherrschen meinen, deren Subtilitäten sie aber nur bedingt verstehen, vor allem wenn es um ein Spezialgebiet geht, in dem sie nicht heimisch sind. Kommt dazu, dass ich kaum einen Vertrag sehe, indem dann nicht verschämt in Klammern einzelne Begriffe in heimischer Sprache «ausgedeutscht» werden müssen, weil es das entsprechende Rechtsinstitut im angelsächsischen Raum gar nicht oder nicht in dieser Form gibt.

Erschwerend kommt hinzu, dass auch die Struktur der Verträge aus dem angelsächsischen Raum übernommen und damit massiv verkompliziert wird. Ein herkömmlicher Vertrag besteht bei uns aus einer Zweckbestimmung, der anvisierten Grundstruktur und sowie Konflikt- und Auflösungsbestimmungen. In “internationalen” Verträgen werden zuerst endlos Begriffe definiert (ohne dass man weiss, welche Rolle sie konkret spielen werden). Erst im zweiten Teil werden die anwendbaren Regeln beschrieben (allerdings ohne die konkreten Zahlen und Werte aufzuführen). Und endlich, ganz am Schluss werden konkrete Zahlen und Beträge benannt. Dies erschwert das Verständnis massiv.

Vor allem bei den Definitionen fragt man sich häufig, ob hier nicht Anwälte, sondern Zeilenschinder am Werk waren. Oder was ist von folgender Bestimmung zu halten: “’Common Stock’ means shares of the Company’s common stock”. Das ist Selbstreferenzialität auf höchstem Niveau. Eine häufig vorkommende Bestimmung bringt mich besonders auf die Palme: “This Agreement (including this paragraph) may be amended only in writing.”. Klar gilt die Schriftform auch für diesen Paragrafen, der ja Teil der Vereinbarung ist, die Klammer ist völlig überflüssig. Natürlich geht es hier nur um drei Wörter aber sie atmen den Geist der übertriebenen Verkomplizierung, der diese Verträge durchdringt.

Legalese wird übrigens nicht primär bei uns als Problem empfunden, sondern auch im angelsächsischen Raum. Auf unterhaltsame Weise bringt dies Chris Hargreaves in seinem Beitrag “Legalese – Everything you Need to Know” auf den Punkt

Besteht Hoffnung, diesen Trend umzukehren? Bei B2B bin ich skeptisch, doch im Konsumenten- und im Personalbereich merken immer mehr Unternehmen, dass sie so nicht weiterkommen. Mittlerweile gibt es sogar Firmen, welche den Juristen beibringen, wie man Legalese auf Deutsch übersetzt bzw. verständlich macht, in der Schweiz zum Beispiel Legal by Design, vor einem Jahr erst gegründet (also auch ein Startup).

Mein Tipp an Investoren: Wer nicht selbst Jurist ist bzw. das Recht sehr gut kennt, aber ein Startup trotzdem für investitionswürdig hält, soll schauen, dass er mitsurfen kann. Mit anderen Worten, er baut auf die Erfahrung von Co-Investoren, seien das erfahrene Business Angel oder auch VC, welche ja die gleichen Verträge unterschreiben. Denn nur in den wenigsten Fällen dürfte es sich lohnen, selbst auch noch einen Anwalt einzuschalten (und zu bezahlen).

Mein Tipp an Startup-Gründer: Schaut euch eure Anwälte auch bezüglich der Arbeits- und Vorgehensweise genau an. Dabei wird man mit einer Boutique von lokalen Spezialisten tendenziell besser bedient sein als mit der Startup-Abteilung einer internationalen Grosskanzlei. Diese braucht ihr natürlich dann schon einmal – spätestens, wenn ihr am NYSE kotiert werden wollt.

Dieser Beitrag erschien in weitgehend identischer Form in meiner Kolumne “Von Hensch zu Mensch” auf inside-it.ch und inside-channels.ch. Foto von Mari Helin bei Unsplash

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